KIM&CHANG
IP-Newsletter | Frühjahr 2014
PATENTE
Pharmaindustrie: Nun Vorsicht bei Streitbeilegung durch umgekehrte Zahlungen geboten
Mee-Sung SHIM, H. Joon CHUNG, Ji Eun KIM
Betrachten wir folgendes Szenario: Unternehmen A verklagt Unternehmen B wegen Patentverletzung. Dann einigen sie sich unter Bedingungen, unter denen Unternehmen B gegen Zahlung eines erheblichen Geldbetrags einwilligt, es zu unterlassen, die patentierten pharmazeutischen Produkte herzustellen. Aufgrund der Besonderheit dieser vor allem im Pharmabereich vorkommenden Vergleichsbedingungen, wonach der Patentinhaber an den vermeintlichen Verletzer zahlt, anstatt anders herum, nennt man diese Art von Vergleichsvereinbarung häufig Vergleichsvereinbarung über „umgekehrte Zahlungen“. Es überrascht nicht, dass der koreanische Oberste Gerichtshof neulich entschied, dass Vergleichsabschlüsse über umgekehrte Zahlungen gegen Wettbewerbsrecht verstoßen können.1 Unterdessen gab die koreanische Kommission für lauteren Handel („KFTC“) im März 2014 ihre Absicht bekannt, sich Vergleichsabschlüsse von Pharmaunternehmen in Arzneimittelpatentstreitigkeiten vorlegen zu lassen.
Anwendung von Wettbewerbsrecht auf Vergleiche über umgekehrte Zahlungen
Während dies generell gesprochen die erste Entscheidung zu umgekehrten Zahlungen in Korea ist, mag sie einen Eindruck vermitteln, wie umgekehrte Zahlungen künftig in Korea beurteilt werden könnten. Erstens, Patentrechte schotten diese Vergleiche nicht von wettbewerbsrechtlichen Prüfungen ab. Vielmehr sind die Vergleiche unter dem Gesichtspunkt der „Vernunft“ zu analysieren, wobei ein Gericht die möglichen wettbewerbsfördernden sowie die wettbewerbshemmenden Wirkungen des Vergleichs zu prüfen hat. Zweitens sind umgekehrte Zahlungen nicht per se rechtswidrig – das bedeutet, die KFTC muss mehr beweisen, als die bloße Existenz einer solchen Vereinbarung, zum Beispiel Zusammenwirken und eine wettbewerbshemmende Wirkung. Das Gericht erläuterte, dass jeder Vergleich von „Fall zu Fall“ beurteilt werde, unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände – zum Beispiel die Dauer des Vergleichs, den Wert der in der Vereinbarung vorgesehenen wirtschaftlichen Vorteile, Prozesskosten und mögliche rechtfertigende Gründe für die Gewährung der wirtschaftlichen Vorteile.
Umgekehrte Zahlungen im Kontext des koreanischen Patentlinkagesystems
Umgekehrte Zahlungen sind auch Lichte des koreanischen Patentlinkagesystems (Verbindung zwischen Patent und der behördlichen Genehmigung für das entsprechende Produkt) zu sehen, das Korea im Zuge seines Freihandelsabkommens mit den USA einführt. Das Patentlinkagesystem, das dem US-Hatch-Waxman Act ähnelt, soll die Einführung generischer Arzneien nach Ablauf eines Patents effizienter machen. Zugleich ermöglicht es das Linkagesystem Generikaherstellern, wenn sie ein Patent für nichtig halten, oder ein Patent kurz vor seinem Ablauf steht, einen Genehmigungsantrag für ihre generische Alternative zu stellen. Ist der Patentinhaber anderer Auffassung, kann er eine Patentverletzungsklage gegen das Generikaunternehmen erheben. Sobald das Generikaunternehmen das Recht erlangt, zu produzieren, und mit der Vermarktung beginnt, erhält es ein Jahr der Exklusivität, während dessen kein anderes Generikaunternehmen in den Markt eintreten darf.2 Ein Vergleich über eine umgekehrte Zahlung würde den Markteintritt des ersten (oder auch jedes anderen) Generikaunternehmens verzögern, wodurch der Hersteller des Originalpräparats für die Dauer der Vergleichsvereinbarung länger seine Exklusivität beziehungsweise einen höheren Marktanteil genießt.
Größere Auswirkungen auf die koreanische Pharmaindustrie
Mit der jüngsten Entscheidung des obersten Gerichtshofs und dem durch das Patentlinkagesystem eingeführten Regelwerk werden die Regeln für Abmachungen zwischen Originalherstellern und Generikaherstellern über den koreanischen Pharmamarkt ausgebaut. Es wird erwartet, dass Patentstreitigkeiten - und potentiell Vergleichsabschlüsse - zwischen Originalherstellern und Generikaherstellern mehr vorherrschend werden. Pharmaunternehmen sollten folgendes bedenken:
1. Eine große, gegenüber dem Prozessrisiko unverhältnismäßige, Vergleichszahlung kann Warnleuchten aufgehen lassen. Basierend auf einem „Vernunftgrundsatz“ werden die Gerichte wahrscheinlich Vergleiche in Frage stellen, die eine der folgenden Arten von Klauseln enthalten: a) Barzahlungen des Patentinhabers, mit Ausnahme von Prozesskosten, b) Zulieferverträge, c) Kreuzlizenzierungen, d) Zahlungen des Patentinhabers für gemeinsame Entwicklungsprojekte, e) Vergütungen an Generikaunternehmen für Vermarktungs-/Vertriebsvereinbarungen und f) Versprechen, ein genehmigtes Generikum nicht auf den Markt zu bringen.
2. Vergleichsgespräche könnten wesentlich früher innerhalb des Arzneimittellebenszyklus stattfinden. Auch ein Generikaunternehmen ohne einen unmittelbar drohenden Patentverletzungsvorwurf kann die Gültigkeit eines Arzneimittelpatents in Korea jederzeit in Frage stellen. Die Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis für den Herausforderer sind marginal - der bloße Beweis, dass der Herausforderer in der Pharmabranche tätig ist, genügt. So dürften Generikaunternehmen gelistete Patente weit im Vorfeld des Datums ihrer Generikaanmeldung angreifen. Im Falle früher Patentstreitigkeiten dürften die Parteien auch gezwungen sein, Vergleiche früher zu diskutieren.
3. Weitere Vorschriften im Zusammenhang mit der vollständigen Einführung des Patentlinkagesystems werden erst noch kommen. Das Ministerium für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit wird bald unter anderem die Regeln zur Bestimmung der generischen Exklusivität bekanntgeben. Nach den angekündigten Vorschriften wird Exklusivität demjenigen gewährt, der a) den ersten Generikahenehmigungsantrag gestellt hat, b) ein Verfahren oder eine Klage eingereicht hat, bevor er seinen Generikahenehmigungsantrag gestellt hat und c) in dem Verfahren oder der Klage ein für ihn günstiges Urteil als unmittelbare Partei erlangt hat.3 Die aktuellen Vorschriften enthalten allerdings keine Vorschriften betreffend Exklusivität. Zum Beispiel muss folgendes erst noch festgelegt werden: der Mechanismus, der die Exklusivitätsfrist auslöst, „patentbasierte“ oder „produktbasierte“ Exklusivität und Vorschriften betreffend Verzicht auf oder Verwirkung von Exklusivität.
Mit dem Zusammentreffen der neuen Entwicklungen betreten sowohl Originalhersteller als auch Generikahersteller ein unbekanntes und kompliziertes rechtliches und regulatives Terrain. Pharmaunternehmen ist zu raten, die möglichen Risiken und Chancen sorgfältig zu analysieren, bevor sie sich in Patentstreitigkeiten begeben.
1 Siehe Entscheidungen des obersten Gerichtshofs Az. 2012 Du 24498 und 2012 Du 27794, beide entschieden am 27. Februar 2014.
2 Die angekündigte Dauer der Exklusivität beträgt ein Jahr und wird am 15. März 2015 zur Anwendung kommen.
3 Vieles im Zusammenhang mit generischer Exklusivität muss erst noch gelöst werden. Wir werden erneut berichten, wenn die Regelungen klarer werden.
zurück zur Hauptseite