KIM&CHANG
IP-Newsletter | Frühjahr 2016
PATENTE
Oberster Gerichtshof in Korea bestätigt Rechtsbeständigkeit des Patents für Lyrica® von Pfizer
Young KIM, In-Hwan KIM, Jung-Yeon KIM
Einführung

Der Oberste Gerichtshof in Korea hat jüngst die Rechtsbeständigkeit eines auf Pregabalin basierenden Patents für die zweite medizinische Indikation zur Verwendung als Schmerzmittel bestätigt (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Nr. 2013 Hu 2873 und 2880 (zusammengefasst) vom 14. Januar 2016). Pregabalin ist die Hauptindikation für Lyrica®, einem der meistverkauften Arzneimittel von Pfizer. Dies ist der erste Fall in Korea, in dem die Rechtsbeständigkeit eines Patents für die zweite medizinische Indikation durch den Obersten Gerichtshof bestätigt wurde. Dabei hat der Oberste Gerichtshof neue wichtige Prinzipen zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Erfinderung auf der Grundlage von Beschreibungen in Stand-der-Technik-Entgegenhaltungen vorgelegt.

Streitpunkte vor dem Obersten Gerichtshof

Die vorliegende Erfindung ist auf die neue Verwendung eines bekannten Stoffes (Pregabalin) zur Schmerzlinderung gerichtet. Vor dem Prioritätszeitpunkt war Pregabalin für seine krampflösende Wirkung bekannt.

13 Generikahersteller leiteten Nichtigkeitsverfahren ein und brachten etliche verschiedene Argumente vor, warum sich die vorliegende Erfindung aus den Entgegenhaltungen des Stands der Technik in naheliegender Weise ergeben würde. Zwei Generikahersteller (CJ und Samjin) legten nach Niederlagen in der ersten und zweiten Instanz, d.h. vor dem Intellectual Property Trial and Appeal Board (IPTAB) und dem Patentgericht, Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

Vor dem Obersten Gerichtshof argumentierten die Generikahersteller, dass die vorliegende Erfindung aus zwei Gründen keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Erstens beschreibe die zitierte Entgegenhaltung 1, dass Pregabalin das GABA-Niveau im Gehirn erhöhe. Die Generikahersteller argumentierten, dass die Erhöhung des GABA-Niveaus bekanntermaßen mit der Schmerzlinderung zusammenhänge. Somit habe die schmerzlindernde Wirkung von Pregabalin leicht aus dem Stand der Technik hergeleitet werden können. Zweitens beschreibe die zitierte Entgegenhaltung 2, dass sich Gabapentin an die α2δ-Untereinheit von Kalziumkanälen binde und Pregabalin sich auch an die Untereinheit besser als Gabapentin binde. Die Generikahersteller argumentierten, dass bereits nahegelegen habe, dass die α2δ-Untereinheit genau das Target für Gabapentin sein könne, um seine krampflösende Wirkung zu zeigen. Die Generikahersteller argumentierten außerdem, dass es auch bekannt sei, dass ein Kalziumkanalblocker für die Behandlung von Schmerzen wirksam sein könne. Daraus folgerten die Generikahersteller, dass die schmerzlindernde Wirkung von Pregabalin leicht aus dem Stand der Technik hergeleitet werden könne.

Die wichtigen Streitfragen bei der Prüfung der obigen Argumente waren: a) wie ein Fachmann die Beschreibungen in der zitierten Entgegenhaltung 1, dass Pregabalin-Racemat das GABA-Niveau im Gehirn erhöht, interpretieren würde, und b) ob der Fachmann aus dem Stand der Technik darauf kommen konnte, dass Pregabalin ein Kalziumkanalblocker ist. Somit war die Streitfrage, die sich dem Obersten Gerichtshof stellte, wie die Beschreibungen in den Entgegenhaltungen des Stands der Technik beim Ermitteln der erfinderischen Tätigkeit einer Erfindung zu interpretieren waren.

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Der Oberste Gerichtshof bejahte die erfinderische Tätigkeit der vorliegenden Erfindung und wies die Argumente der Generikahersteller zurück.

Was den ersten Streitpunkt angeht, merkte der Oberste Gerichtshof an, dass Anspruch 15 der zitierten Entgegenhaltung 1 die Erhöhung des GABA-Niveaus im Gehirn durch Pregabalin lehrt. Allerdings fand das Gericht, dass der Fachmann diese Lehre nicht annehmen würde angesichts weiterer Abschnitte in der gleichen Entgegenhaltung und zusätzlichen Entgegenhaltungen des Stands der Technik.

Was den zweiten Streitpunkt angeht, merkte der Oberste Gerichtshof an, dass der Fachmann eventuell aus der zitierten Entgegenhaltung 2 erkenne, dass die krampflösende Wirkung von Gabapentin mit der α2δ-Untereinheit zusammenhängt. Allerdings stellte das Gericht fest, dass bei Berücksichtigung der gesamten Beschreibung oder der experimentellen Ergebnisse in der zitierten Entgegenhaltung 2 und weiterer Entgegenhaltungen des Stands der Technik, die unvereinbar sind mit der zitierten Entgegenhaltung 2, es ungewiss sei, ob die krampflösende Wirkung von Gabapentin aus der Bindung zur α2δ-Untereinheit herrühre. Das Gericht folgerte, dass es für den Fachmann nicht leicht sei, aus der Entgegenhaltung des Stands der Technik herzuleiten, dass Pregabalin eine schmerzlindernde Wirkung haben würde.

Auf der Grundlage obiger Überlegungen stellte der Oberste Gerichtshof die folgenden neuen Prinzipen auf.

„Um festzustellen, ob die erfinderische Tätigkeit einer Erfindung angesichts einer bestimmten Entgegenhaltung des Stands der Technik zu verneinen ist, sollten nicht nur der spezielle Abschnitt der Stand-der-Technik-Entgegenhaltung, welcher als Grundlage zur Verneinung der erfinderischen Tätigkeit dienen kann, sondern auch die Inhalte berücksichtigt werden, die der Fachmann in vernünftigerweise aus der gesamten Stand-der-Technik-Entgegenhaltung würdigen kann. Gibt es ferner weitere Stand-der-Technik-Entgegenhaltungen, die dem speziellen Abschnitt der Stand-der-Technik-Entgegenhaltung widersprechen oder diesen in Frage stellen, dann sollten auch diese Entgegenhaltungen bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob der Fachmann die vorliegende Erfindung daraus hätte leicht herleiten können.“ (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Nr. 2013 Hu 2873 und 2880 (zusammengefasst) vom 14. Januar 2016).

Bedeutung des Falls

Dieser Fall ist sehr wichtig, da es der erste Fall in Korea ist, bei dem der Oberste Gerichtshof die erfinderische Tätigkeit einer Erfindung für eine zweite medizinische Indikation anerkannt hat.

Außerdem liefert der Oberste Gerichtshof wichtige neue Prinzipien dazu, wie Entgegenhaltungen des Stands der Technik bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Erfindung ausgelegt werden müssen. Nach dem koreanischen Patentgesetz wurde die erfinderische Tätigkeit einer Erfindung auf der Grundlage bestimmter Beschreibungen in den Stand-der-Technik Entgegenhaltungen allzu leicht verneint, selbst wenn die Beschreibungen nicht vollständig gestützt oder bestätigt wurden. Beispielsweise stellte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Nr. 95 Hu 1302 (29. Oktober 1996) fest, dass selbst wenn eine zitierte Entgegenhaltung eine unvollständige Erfindung offenbare, sie immer noch dazu verwendet werden könne, die erfinderische Tätigkeit einer beanspruchten Erfindung zu verneinen. Des Weiteren stellte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Nr. 2004 Hu 2307 (24. März 2006) fest, dass eine Stand-der-Technik-Entgegenhaltung mit einer beanspruchten Erfindung verglichen werden könne, selbst wenn sie unzureichende oder fehlerhafte Beschreibungen aufweise, solange ein Fachmann leicht ihren Inhalt verstehen könne.

In diesem Fall stellt der Oberste Gerichtshof neue Prinzipien bereit, die besser zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit pharmazeutischer oder biotechnischer Erfindungen geeignet sind, Die häufig schwieriger vorhersehbar sind, als z.B. manche mechanische Erfindung.
zurück zur Hauptseite